Männerzeitung #40 vom 01.12.2010
Werde Macho!
von Ivo Knill
Die Männerzeitung zeigt Ihnen, wie Sie ein ganzer Mann sein können.
Was immer du tust – mach es zu deinem Ding!
Diese Regel lernte ich bei meinem Vater, als er das erste Mal für uns kochen musste. Es gab Hafergrütze aus dem Dampfkochtopf. Natürlich war das Zeug scheusslich, aber wir assen es mit den reinsten Herrengefühlen: Denn es war selber gemacht und wurde auf den Teller gepappt, als wäre es der Verputz, den Michelangelo für seine Fresken verwendet hatte. Auch die Fertigrösti wurde als kulinarische Verblüffung gefeiert:
Direkt aus dem Pack und doch so gut! Ein echter Macho beherrscht die Kunst, sich selber zu loben und andere daran teilhaben zu lassen.
Tu nicht, was deine Frau sagt!
Ich staune ab und zu über jüngere Geschlechtsgenossen. Sie geben sich forsch, männlich und kinderfreundlich. Freitag ist mein Kindertag, heisst es dann. Toll! Das gefällt mir. Männergruppen und so Zeug? Nein, das haben sie nicht nötig, sind doch ganze Männer, rechte Kerls und modern dazu. Nur dass dieses tolle Mannestum gerade so weit reicht wie das Gängelband der lieben Frau. «Au, bringst du mir noch Milch und Fetakäse heim?» Na klar, das machen wir gerne und sind Held dazu. «Kannst du die Kleine von der Krippe holen?» Sowieso, das liegt ja grad auf dem Weg. «Bist du so lieb und bringst mir die Kleine zum Stillen vorbei?» Ja gerne, was gibt es Schöneres, als eine berufstätige Mutter in ihrer Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. Männer schuften für Sex, sie krampfen für die Liebe, leiden, damit es andere besser haben. Viele Männer lassen lieber ihre Frauen entscheiden. Das ist vielleicht lieb, aber nicht fair. Entscheiden ist eine Arbeit, auch ein Teil der Sorge für sich. Wer die Konturen seines männlichen Lebensentwurfs entlang dem zustimmenden Blick seiner Partnerin zeichnet, der macht keinen guten Job. Echte Männer entscheiden, was sie angeht, selber.
Sei Held!
Nach über zwei Monaten unter der Erde sind sie wieder hochgestiegen, die Grubenarbeiter aus Chile. Helden. Ihr Überleben haben sie ihrer Fähigkeit zu verdanken, sich im Team zu strukturieren und ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Der Reporter der Crew schickte einen Videobericht ans Tageslicht, der die verschiedenen Räume und Gerätschaften zeigt – und einen Vorhang. «Wir sind Machos, zum Weinen gehen wir hinter den Vorhang», flunkerte er hinauf. Im Interview, eingerahmt von Frau und Sohn, erklärt Mario Sepúlveda nach der Rettung: Dass er das erlebt habe, das mache ihn stark für alles, was noch kommen werde. Dann erklärt er, dass die Bedingungen für die Bergbauarbeiter besser werden müssten, dass Gott und der Teufel um ihn gekämpft hätten und der Teufel die schlechteren Karten gehabt habe. Er dankt den Helfern – die hätten wunderbar für sie gesorgt. Sie als Bergleute hätten eigentlich nur ihr Herz und einen Haufen Blödsinn dazu getan. Er lacht, und sein Sohn ist glücklich: Er hat einen Helden zum Vater.
Begeistere!
Wenn du Leute dazu bringen willst, etwas zu tun, dann wecke ihre Begeisterung. Stell dich vorne hin, strahle Mut, Zuversicht und Umsicht aus. Zeige, dass du den Willen hast, das Ziel mit deinen Leuten zur erreichen. Zeige, dass ein heiliger Funke in dir steckt. Ein Funke, der dich auch Unbequemlichkeit, Stress, Schweiss und Gestank in Kauf nehmen lässt. Nähre diesen Funken in dir. Setze Ziele, die anspruchsvoll, aber erreichbar sind. Lobe, wenn ein Lob verdient ist. Tadle, wenn Tadel notwendig ist, aber tue es im Geheimen.
Verurteile nicht!
Wer eine Zehe ins Wasser hält und merkt, dass es kalt ist, findet einen Haufen ehrenhafte Gründe, nicht zu schwimmen. Vieles von unserer Alltagsmoral ist eine Moral der kalten Zehe. Was man nicht wagt, das verurteilt man. Ganze Männer lassen so was bleiben. Sie sind stolz auf das, was sie tun. Sie wagen, sie entscheiden, aber sie verurteilen nicht.
Sei dir treu!
Ich habe Wilhelm Schmid, den Philosophen der Lebenskunst, gefragt, wie es denn sei, wenn einen die Liebe, die Lust oder das Verlangen über die Partnerschaft hinausführt in ein fremdes Bett. Seine Antwort hat mich verblüfft: «Das muss man dann mit sich selbst ausmachen». Aber ich habe begriffen: Die Treue zu sich selbst, zu seinen eigenen Massstäben des Lebens, das ist letztlich das einzige Mass für unser Handeln – und es ist ein sehr hartes Mass. Die eigenen Grenzen zu ziehen ist schwieriger, als den anderen zum Wächter seiner Tugend zu machen.
Halte deinen Kram in Ordnung!
Nichts ist ärgerlicher als Leute, die nicht auf ihre Sachen achtgeben, die keine Ordnung halten, die ihre Termine nicht einhalten, zu spät kommen, Handygespräche nicht abklemmen können, keinen Schreiber dabei haben, das Klo nicht hinter sich putzen, das Abblendlicht ihrer Autos nicht richtig einstellen. Blender, Stümper, Versager. Ein rechter Mann hält seine Siebensachen in Schuss, hat den Tank immer dreiviertel voll, gibt nie alles, schliesst eine begonnene Arbeit ab. Einfach so, weil er sich nicht zum Affen macht. Er arbeitet, auch das macht ihn zum Mann, aber er weiss, dass harte Arbeit auch einen Feierabend braucht.
Achte deinen Körper!
Unser Verstand macht uns zum Menschen, unser Empfinden gibt uns eine Seele und ein Gemüt, unser Körper macht uns zum Mann. Achten wir ihn also, geniessen wir ihn, loten wir seine Grenzen aus. Der Umgang mit dem Körper ist eine Schule für den Umgang mit sich selbst. Wir lernen uns fit für die Leistung zu machen, wir lernen unsere Kräfte einzuschätzen, auf die Probe zu stellen. Beim Rennen, beim Wandern, beim Schwimmen lernen wir, dass jenseits der Wohlfühlzone, dort, wo man mit Mühe hinkommt, wahre Glücksgefühle warten. Wer mit seinem Männerkörper verbunden ist, macht sich bereit, für das Wunder, den Körper einer Frau zu umarmen: Er ist anders und er passt so wunderbar zu dem des Mannes.
Übe!
Ich weiss, dass es Männer gibt, die nicht wissen, was ein Schraubenzieher ist und wie man eine Schaufel anfasst, die ratlos nur schon vor der Möbelpackung aus der Ikea stehen. Aus meiner Sicht ist das ein Jammer. Ich für mich übe mich im handwerklichen Können: Staub, Lärm, Dreck und Maschinen, die Disziplin in der Organisation, der Einsatz der richtigen Geräte, die Abstimmung der einzelnen Arbeiten. Das ist eine Schule des Mannes. Sie beruht auf Übung. Üben, das heisst: Vor dem Plattenspieler sitzen und wieder und wieder die selben Gitarrengriffe nachspielen, sich unzählige Male das Knie aufschürfen, bis ein Sprung mit dem Skateboard sitzt. Ein Hemd in genau zwölf Arbeitsschritten bügeln, Gemüse nicht genau, sondern perfekt schneiden, aus dem Handgelenk heraus. Üben, das heisst, sich selbst etwas beibringen, bis man es kann. Der Gewinn des Übens ist eine Souveränität, die man sich erarbeitet hat, eine Eleganz und Leichtigkeit, die auf Disziplin beruht. Ein Genuss.
Bezahle den Preis und liebe!
Es ist gar nicht so schwer ein Macho zu sein. Aber es hat seinen Preis. Wer seine Meinung sagt, wer sich selbst treu ist und zur Not auch unbequem werden kann, riskiert, dass manche von ihm abrücken. Gerade in einem Land wie der Schweiz, wo alle Durchschnitt sein wollen, damit sie nicht mit dem Millionär von nebenan verwechselt werden. Wer auch mal einen Streit riskiert oder eine Lust formuliert, kann anecken. Aber im Ernst: Kann man anders leben und lieben als frei? Wer glaubt eigentlich auf die Länge jemandem, der immer nur zustimmt und ja sagt? Wer traut dem Urteil von einem, der nichts riskiert? Niemand. Der Mut, seinen Weg zu gehen, ist unabdingbar. Gross wird dieser Weg, wenn er ein Weg der Liebe ist.
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Kommentare
7 Kommentare vorhanden
franco schrieb am 02.06.2012 - 20:13
gerne
hafergrütze aus dem dampfkochtopf?
Antigone schrieb am 03.04.2011 - 11:38
Werde Macho!
Diese Art von Macho könnte ich sogar als Feministin willkommen heissen. Wenn Männer schon Machos sein wollen, dann aber auf die richtige Art und Weise!
yvonne schrieb am 02.02.2011 - 11:25
wirklich super
Ich als frau muss sagen es war sehr erfrischend zu lesen .Super !
Norbert schrieb am 18.01.2011 - 10:10
Vielen Dank
Auch ich bedanke mich. Es ist schön von solchen positiven Rollenvorstellungen über und für Männer zu lesen. Gott, aktuelle Orientierungsbilder sind für Männer so selten geworden. Bitte mehr davon!!!
Oliver schrieb am 14.12.2010 - 11:18
Danke!
Danke für diese tolle Ausgabe mit den kraftvoll und männlcihen Texten. Auch die Bilder sind sehr schön.
martin schrieb am 07.12.2010 - 11:07
wär ich eine Frau,
ich würds meinem Mann zu lesen geben.
raphael schrieb am 07.12.2010 - 01:05
Danke
Vielen Dank für den Artikel. Endlich werden auf eine positive Art und Weise die Werte und Tugenden des Mannes gewürdigt. Endlich muss ich nicht von Unterdrückung junger Knaben durch Ritalin oder von üblen Triebtätern, von Bankräubern oder sonstigen männlichen Negativbildern lesen. Endlich endlich! Macht bitte weiter so. Es tut gut, einmal zu hören, dass Mann sein gut sein kann. grüsse